Montag, 18. August 2014

Russe

Die letzten paar Tage war ich zu faul, um meinen Blog zu aktualisieren. Oder ich hatte kein WLAN zur Verfügung. Oder schlicht und einfach keine Zeit dafür. 

Doch heute passt es wieder. Wir sind in Russe, einer Stadt mit 150.000 Einwohnern. Bislang der schönste Ort in Bulgarien. Und er passt so gar nicht zu dem, was ich bisher vom Land gesehen habe: nirgends liegt Müll herum, die Häuser sind in einem passablen Zustand, die Straßen sind in Ordnung. Es gibt eine hübsche Fußgängerzone. Und freies WLAN beinahe überall in der Innenstadt.


Während der letzten paar Tage habe ich nämlich das Gegenteil erlebt. In allen Ortschaften stehen viele Häuser leer und verfallen. Die Infrastruktur ist allesammt aus der kommunistischen Zeit. Letzte Woche habe ich ein einziges Gebäude gesehen, dass jünger als 30 Jahre war: ein Einkaufszentrum in Vidin, gebaut von westlichen Konzernen. Ein paar neue Bauruinen stehen natürlich auch herum. Allesammt finanziert von der EU. In Baikal etwa. Ein Museum für Ausgrabungsgegenstände. Außen fertig, innen ein Rohbau, verfällt es bereits wieder. Weil die Korruption das dafür zur Verfügung gestellte Geld vorzeitig aufgefressen hat. 

Oder in Belogradchischki. Die EU finanziert ein Projekt, bei dem ein Laser Lichteffekte auf die Burgruine zaubern soll. Das dafür notwendige Gebäude hat scheinbar der Sohn/Enkel/Freund/Bekannte/Bezahler von einem lokalen Politiker geplant. Von außen schaut es recht schön aus. Als uns auf Nachfrage ein Arbeiter durch die Baustelle führt, schaut die Sache gleich anders aus: der Architekt hat übersehen, dass im Winter ein kleiner Bach die Felswände entlang und letzten Endes durch das Haus fließt. Im Erdgeschoß steht das Wasser zentimeterhoch, der Putz bröckelt sogar im ersten Stock feucht von den Wänden. Laser gibt es noch keinen, den hat die EU noch nicht bezahlt. Dafür steht ein mächtiges Teleskop im Raum. Zum Sternebeobachten. Von der EU bezahlt. Da hat doch nicht etwa der Architekt den ganzen Klimbim veranstaltet, nur um sich sein Hobby, ein wenig Sternderlschaun, finanzieren zu lassen?

Der Schwachsinn und die absolute Wurschtigkeit beginnen bei Kleinigkeiten. Bei der Dusche in Svistov etwa. Da war der Wasserhahn zum abstellen kaputt. Also ist das Wasser gelaufen. Bis man die Dusche am nächsten Tag wieder abgebaut hat. Da der Wasserschlauch mit einer Schelle befestigt war, hat ihn der mit dem Abbau beauftragte einfach abgeschnitten. Natürlich, ohne das Wasser vorher abzustellen. Ich glaube, es sprudelt heute noch in die Wiese.

Oder der Bach in der Stadt Nikopol. Er führt jetzt im Sommer nur wenig Wasser, ist mehr ein Rinnsal. Dafür türmen sich in seinem Bett Plastikflaschen und anderer Müll. Ein Hochwasser im Winter wird das stinkende Zeug dann in die Donau spülen. Dann passt es wieder. 

Auch in dieser 6000 Einwohner zählenden Stadt setzt man auf die EU. Die soll ein Projekt finanzieren, um irgendwelche Felshölen touristisch zu erschließen. Wer die anschauen soll? Egal, hauptsache die EU bezahlt erstmal. In der Stadt gibt es drei Tante-Emma-Läden, viele leerstehende Häuser, mit groben Schotter befestigte Sraßen, ein von den Russen gebautes Denkmal am Hügel oberhalb der Stadt. Warum zum Teufel sollte sich irgendein Tourist hierher verirren. Und für hundert Paddler, die einmal im Jahr hier für eine Nacht bleiben lohnt der Aufwand sicher nicht!

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